Interface-Verzweiflung

Unsere technische Welt wird immer komplexer – der Mensch hingegen eher nicht. Bekommt man das in den Griff?

Experten erdenken mit großer Expertise exzellente Expertensysteme und lassen sie auf die Menschheit los. So wird aus komplex kompliziert. So viel Energie fließt in die Entwicklung technischer Systeme, und kurz vor dem Zieldurchlauf bleiben sie stehen. Sie vergessen den eigentlichen Zweck der Unternehmung: den Anwender. Experten können viel, nur eines schaffen sie oft nicht, nämlich ein Nicht-Experte zu sein. Und damit sind die Nicht-Experten geliefert – und das Unternehmen, das auf seinen Produkten sitzenbleibt, auch.

Ein guter Designer ist hier Brückenbauer. Er versteht genug von Technik, und ganz besonders versteht er etwas von der Nutzbarkeit von Produkten. Er übersetzt die Produktqualität und die Anwendung in eine unmittelbar verständliche Sprache. Er versteht, was man verstehen kann.

Der Mensch lernt. Und was er gelernt hat, behält er. Auch wenn sich die Welt um ihn herum verändert. Er entwickelt eine abstrakte Vorstellung, ein Modell von der Wirklichkeit und bleibt erst mal dabei. Viele Senioren, die gelernt haben, dass ein Tippen auf die Schreibmaschinentaste sofort den entsprechenden Buchstaben druckt, verstehen das Entertasten-Prinzip (erst eingeben, dann abschicken – sonst passiert nichts) zunächst nicht und verzweifeln am Ticketautomaten. Manchmal macht man sich von nicht durchschaubaren technischen Vorgängen eine vereinfachte Vorstellung, wie z.B., dass der „Strom“ beim Betätigen des Lichtschalters (Öffnen der Leitung) wie in einer Wasserleitung zur Glühbirne fließt (man beachte das Vokabular!) und in Form von Licht austritt. Der tatsächliche Vorgang ist natürlich etwas komplexer, aber das Modell versetzt jeden in die Lage, diese Technologie zu handhaben.

In meiner Arbeit erforsche ich die akzeptierten Modelle der Anwender. Was meinen sie intuitiv, wie der geplante Vorgang funktioniert? Was ist ihnen geläufig? Was könnte die Nutzung des Gerätes zu einer positiven Erfahrung machen? Daraus entwickle ich ein Bedienungskonzept, das auch komplizierteste Vorgänge verständlich macht. Wenn gewünscht, auch als umfassende Abwicklung mit interaktiven Wireframes zum Testen und mit kompletter Grafik.

Das Tragische in der Welt der User-Interfaces ist nicht die nicht darstellbare Komplexität, sondern, dass es gar kein Hexenwerk wäre, das nützlich und gewinnbringend für jeden zu gestalten. Es braucht halt den richtigen Experten.

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