Auto-Rokoko

In der Autowelt ist der Teufel los! Das Auto-Design ist außer Rand und Band. Wir befinden uns in einer Art Auto-Rokoko. Wie konnte es dazu kommen?

Vorbei die Zeit, als man ein Auto schlüssig formal beschreiben konnte. Front und Heck (als solche noch erkennbar) hatten markenspezifische Elemente. Die Stoßstangen schützten tatsächlich. Die Klassen waren klar gegliedert (3er, 5er, 6er, 7er), und man bekam nachvollziehbaren Mehrwert in den jeweiligen Ausbaustufen.

In den 60ern ließen sich mit einer entwickelten Rendering-Zeichentechnik am besten Kanten darstellen – man kantete das Blech zeichnungsgemäß. In den 70ern gab es mehr Stoff, mehr Haare, mehr freie Liebe – mehr Blech. Die geringe Rechenleistung der Computer-Revolution ließ in den 80ern nur eine rudimentäre Weltdarstellung und einfache Auto-Geometrien zu. In den 90ern beherrschten die Computer Freiformen jeder Art – häufig auch frei von Geschmack.

Die Designausbildung boomte. An einem Auto scheint alle 30 cm ein anderer Designer zuständig gewesen zu sein, und jeder verfolgte eine eigene Idee. Die Chinesen machen alles nach und werden immer schneller. Mittlerweile machen sie schon nach, bevor man bei uns überhaupt angefangen hat. Die Welt wird immer komplexer. Alte Strukturen brechen auf. Alles ist machbar. Es gibt keine Regeln mehr.

Historiker werden einmal das heutige Autodesign als Ausdruck einer Epoche der Orientierungslosigkeit begreifen – ähnlich der überbordenden Verspieltheit des Rokoko.

Nun sehnt man sich nach Klarheit, nach verlässlichen Regeln, nach Struktur und visueller Entlastung. Klar identifizierbare Produkte gelten als hochwertig. Weniger kostet mehr.

Historisch folgte auf das Rokoko der Klassizismus (Klassiker), der Historismus (Retro) und später die Klassische Moderne. Es bleibt zu hoffen, dass man sich in der automobilen Zukunft von der Dekadenz befreien und im Sinne der Ideale der Klassischen Moderne angemessene Produkte für einen klaren Geist entwickeln kann.

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